Abb. _01: Die Häufigkeit des Treffens des Zellkerns durch 218Pb-Alpha-Teilchen in Abhängigkeit von der Dosis: über der durchschnittlichen pro Zelle applizierten Alpha-Energiedosis ist in der unteren Hälfte des Graphs für den niedrigen Dosisbereich der Anteil der getroffenen Zellkerne (rechte Achse) sowie die lokal in diesen Zellkernen abgegebene Dosis (linke Achse) aufgetragen. Im oberen Teil ist für den hohen Dosisbereich, wo jede Zelle durchschnittlich mindestens einmal getroffen wird, die mittlere Zahl der Treffer pro Zellkern aufgetragen. Hier wurde von einem Zellkerndurchmesser von 8 µm ausgegangen, wie man ihn in Säugetierzellen findet. [Feinendegen, 1978, nach Burkhart, 1991].

BESONDERHEITEN DER BIOLOGISCHEN WIRKUNG VON STRAHLUNG

 

Besonderheiten der biologischen Wirkung von Strahlung
  • Besonderheiten der biologischen Wirkung von Strahlung



  • Ionisierende Strahlung und UV-Licht schädigen die einzelnen Körperzellen besonders effektiv, weil sie selektiv die in ihnen enthaltene Erbinformation, die alle Lebensabläufe steuert, (das Genom) zerstören oder verändern. Aufgrund dieser genotoxischen Wirkung der Strahlung reicht die Energie einer Tasse warmen Tees - in Form von Röntgenstrahlung verabreicht - aus, um einen Menschen zu töten. In einigen Punkten unterscheidet sich die Wirkung von Strahlung jedoch sehr von der anderer genotoxischer Substanzen.

    Im Gegensatz zu den meisten anderen chemischen oder physikalischen Noxen, die auf biologische Zellen einwirken können, ist die Energiedeposition durch Strahlung in ihrer zeitlichen und örtlichen Ausdehnung sehr komprimiert. Eine genotoxische Chemikalie wie z.B. Aflatoxin B, die selbst in der sehr geringen Konzentration von 1 µg pro kg (1ppb) noch wirksam ist, liegt dann bei angenommener homogener Verteilung immer noch in einer Konzentration von 10.000 Molekülen pro Zellkern vor. Eine Dosis 60Co-g -Strahlung von vergleichbarer akuter genotoxischer Wirkung, nämlich 0,3 mGy, würde für jeden Zellkern eine Wahrscheinlichkeit von 10% bedeuten, von einem Elektron getroffen zu werden. Bei einer gleichartigen Dosis Teilchen-Strahlung wäre die Wahrscheinlichkeit der einzelnen Zellkerne, von einem Elektron getroffen zu werden, noch deutlich geringer. Da weiterhin gilt, daß strahleninduzierte Radikale nach ihrer Entstehung maximal einige Nanometer zurücklegen können, zeigt dies, daß Strahlung in den einzelnen getroffenen Zellen bzw. Zellkernen immer zumindest eine gewisse Minimaldosis appliziert, die im Vergleich zu der über das ganze bestrahlte Gewebe gemittelten Dosis sehr hoch ist. Die Wahrscheinlichkeit für jede individuelle Zelle, getroffen zu werden, ist also sehr gering; wird sie aber getroffen, so ist die erhaltene Dosis hoch (in Abb. _01 am Beispiel von a -Strahlung gezeigt). Dieses Verhalten ist bei Teilchen-Strahlung, vor allem im aus Strahlenschutzgründen besonders interessanten Niedrig-Energie-Bereich stark ausgeprägt. [Burkhart, 1991]

    1. Zell-Inaktivierung
    Der grundlegendste Endpunkt, den man nutzt, um die biologischen Wirkung von Strahlung zu quantifizieren, ist die Zell-Inaktivierung (d.h. grob gesprochen Abtöten, siehe auch unten "zelluläre Reaktionen"). Sie ist leicht anhand des colony-forming assays (Koloniebildungstest) zu messen: Man bestrahlt Zellen, bestimmt ihre Konzentration und verteilt eine bekannte Anzahl mit frischem Nährmedium auf einer Petrischale (o.a. "Platte"). Diese läßt man dann unter optimalen Wachstumsbedingungen (Wachstum bedeutet hier Zellteilung) mehrere Tage ruhig stehen.

      Abb. _02: Beispiel einer Überlebenskurve, d.h. der Dosis-Effekt-Kurve, die die Zahl der teilungsfähig gebliebenen Zellen mit der erhaltenen Strahlendosis korreliert. Die Zahl der überlebenden Zellen nimmt in erster Näherung exponentiell mit der Dosis ab. Um eventuelle Unterschiede im Verlauf der Überlebenskurven besser sichtbar zu machen, wählt man daher meist eine halblogarithmische Darstellung.(Hier V79-Zellüberleben nach 9,3 MeV/u-Xenon-Bestrahlung.)

    Dann färbt man die entstandenen Kolonien und setzt sie zu der Zahl der "ausgeplatteten" Zellen ins Verhältnis. Dieses Überlebensverhältnis normiert man mit dem für unbestrahlte Zellen erhaltenen, und erhält so die surviving fraction (Überlebensfraktion, manchmal: Überlebensrate) für die entsprechende Strahlendosis. Normalerweise führt man dies für viele verschieden große Dosen ("Dosispunkte") parallel durch, die zusammen eine Überlebenskurve ergeben (Abb. unten). Die Zellen, aus denen keine Kolonie entstanden ist, bezeichnet man als inaktiviert; das heißt, daß sie nicht direkt durch die Strahlung abgetötet, aber zumindest Teilungs-unfähig gemacht worden sein müssen.
  • Die Zell-Inaktivierung durch Strahlung folgt den Gesetzen der Poissonverteilung

  • Die Inaktivierung von Zellen durch Strahlung ist stochastischer Natur und folgt daher statistischen Gesetzmäßigkeiten. Dies liegt an der Zufälligkeit des Treffens (bzw. Nicht-Treffens) essentieller DNA-Bereiche durch die einzelnen Elektronen oder Teilchen. Daher kann das Zellüberleben nach Strahlung durch die Poissonverteilung beschrieben werden, wodurch auch der exponentielle Verlauf der Überlebenskurven begründet ist (Abb _02). Dabei ist P(X=j) die Wahrscheinlichkeit, daß j Zellen überleben. Wenn die ursprüngliche Anzahl ausgeplatteter Zellen pro Platte n, und die Wahrscheinlichkeit des Zellüberlebens pn ist, so ergibt sich P(X=j) zu:
    P(X=j)=(n pn)j * e(-n pn) /j! Das heißt also, daß z.B. auf einer Petri-Schale mit 200 einzelnen Zellen bei genau 1,0% Überleben mit der durch die Poissonstatistik gegebenen Wahrscheinlichkeit nicht nur genau 2, sondern durchaus 1 bzw. 3, oder auch 4 oder 5 etc. Überlebende auftreten können (Tab _01).

    Tab. _01: Wahrscheinlichkeit für die Anzahl der überlebenden von 200 ausgeplatteten Zellen, bei einer tatsächlichen Überlebenswahrscheinlichkeit von 0,01 %:

    Anzahl der Zellen auf der Platte:
    Wahrscheinlichkeit:
    0
    13,5 %
    1
    27,0 %
    2
    27,0 %
    3
    18,0%
    4
    9,0 %
    5
    3,6 %
    6
    1,2 %
    7
    0,34 %

    Zu diesen unvermeidbaren Ungenauigkeiten kommen weitere, z.B. die der Zellkonzentration beim Pippettieren der Zellsuspensionen. Sie sind bei der Fehleranalyse zu beachten und auch beim Fitten einer Kurve an die Daten-Punkte. Beim Anfitten sollten die Daten in eine solche Form gebracht werden, daß der aus diesen Komponenten bestehende Fehler normalverteilt um die zu messenden Werte vorliegt.

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